Kant: AA IV, Grundlegung zur Metaphysik der ... , Seite 421 |
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01 | gemäß zu sein, das Gesetz aber keine Bedingung enthält, auf die es eingeschränkt | ||||||
02 | war, so bleibt nichts als die Allgemeinheit eines Gesetzes überhaupt | ||||||
03 | übrig, welchem die Maxime der Handlung gemäß sein soll, und | ||||||
04 | welche Gemäßheit allein der Imperativ eigentlich als nothwendig vorstellt. | ||||||
06 | Der kategorische Imperativ ist also nur ein einziger und zwar dieser: | ||||||
07 | handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen | ||||||
08 | kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde. | ||||||
09 | Wenn nun aus diesem einigen Imperativ alle Imperativen der | ||||||
10 | Pflicht als aus ihrem Princip abgeleitet werden können, so werden wir, | ||||||
11 | ob wir es gleich unausgemacht lassen, ob nicht überhaupt das, was man | ||||||
12 | Pflicht nennt, ein leerer Begriff sei, doch wenigstens anzeigen können, was | ||||||
13 | wir dadurch denken und was dieser Begriff sagen wolle. | ||||||
14 | Weil die Allgemeinheit des Gesetzes, wornach Wirkungen geschehen, | ||||||
15 | dasjenige ausmacht, was eigentlich Natur im allgemeinsten Verstande | ||||||
16 | (der Form nach), d. i. das Dasein der Dinge, heißt, so fern es nach allgemeinen | ||||||
17 | Gesetzen bestimmt ist, so könnte der allgemeine Imperativ der | ||||||
18 | Pflicht auch so lauten: handle so, als ob die Maxime deiner Handlung | ||||||
19 | durch deinen Willen zum allgemeinen Naturgesetze werden | ||||||
20 | sollte. | ||||||
21 | Nun wollen wir einige Pflichten herzählen nach der gewöhnlichen | ||||||
22 | Eintheilung derselben in Pflichten gegen uns selbst und gegen andere | ||||||
23 | Menschen, in vollkommene und unvollkommene Pflichten.*) | ||||||
24 | 1) Einer, der durch eine Reihe von Übeln, die bis zur Hoffnungslosigkeit | ||||||
25 | angewachsen ist, einen Überdruß am Leben empfindet, ist noch | ||||||
*) man muß hier wohl merken, daß ich die Eintheilung der Pflichten für eine künftige Metaphysik der Sitten mir gänzlich vorbehalte, diese hier also nur als beliebig (um meine Beispiele zu ordnen) dastehe. Übrigens verstehe ich hier unter einer vollkommenen Pflicht diejenige, die keine Ausnahme zum Vortheil der Neigung verstattet, und da habe ich nicht bloß äußere, sondern auch innere vollkommene Pflichten, welches dem in Schulen angenommenen Wortgebrauch zuwider läuft, ich aber hier nicht zu verantworten gemeint bin, weil es zu meiner Absicht einerlei ist, ob man es mir einräumt, oder nicht. | |||||||
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